Im Bezirk Gottlieben gab es noch zur Zeit des Napoleonturms über 100 Leinenweber, sicherlich also auch etliche in Wäldi.
Seit dem 13. Jhdt. bildete die Herstellung von Leinen aus Flachs (oder Hanf) in Heimarbeit einen kärglichen Zusatzerwerb der Lehensbauern.
Händler in Konstanz und St. Gallen kauften die Ballen auf und vertrieben sie in halb Europa. Konstanz wurde ein wichtiger Handelsplatz; "Tela di Constanze" hatte einen qualitativ guten Ruf.
Viele Konstanzer Patrizierfamilien wie die Muntprat gelangten so zu beträchtlichem Reichtum - wir fanden sie bald als Besitzer verschiedener Schlösser und Mitglieder des Landadels im Thurgau wieder.
Von St. Gallen aus exportierte das Familienunternehmen der Zollikofer Leinwand nach Frankreich; Mitglieder ihrer Familie besassen einige Schlösser in der Umgebung (Altenklingen, Hard, Wolfsberg oder Castel).
Die Flachsverarbeitung war äusserst aufwendig:
Mit dem Leinengewerbe sind nur die Händler, aber nicht die Lehensbauern reich geworden, wie Pupikofer 1837 schrieb:
"Von jeher galt das Volk im Thurgau als arm.
Der grössere Theil der Grundstücke war früher Lehen der Herrschaften und der Klöster; und Lehensleute bringen es bekanntlich in der Oekonomie selten weit; dazu wanderte ein grosser Theil des Ertrags, als Zins und Zehnten, über die Grenze, besonders nach Konstanz, in das Stift St. Gallen und auf die Reichenau.
Andere Industrie als Leinwandfabrikation war nicht vorhanden, von Grosshandel keine Spur, die Rechtspflege und Landesverfassung endlich mehr geeignet zu hemmen als zu fördern."
(J. A. Pupikofer, Geschichte des Thurgaus, 1837)
Anfangs des 19. Jahrhunderts löste die Baumwoll-Heimindustrie das Leinengewerbe ab. Auch in Wäldi soll es einige Webkeller gegeben haben; 1835 standen im Thurgau 6000 Webstühle. Das Zentrum der Baumwollindustrie mit spinnen, weben und sticken lag aber in der engeren Nordostschweiz mit dem Zentrum St. Gallen.
In dieser Heimindustrie war oft auch die Arbeit von flinken und geschickten Kinderhänden gefragt - vergleichen Sie diesen Tagesablauf eines 12-jährgen Mädchens einmal mit dem Ihrer Kinder:
In der Textildruckerei und -färberei vollzog sich der Übergang in die Fabrikindurstrie zuerst (Islikon, Bürglen). Spinnereien und Webereien, vor allem entlang der Murg und der Thur, verdrängten die Heimarbeit immer mehr, die sich noch am längsten im Bereich der Stickerei halten konnte.
Um 1900 arbeitete bereits rund die Hälfte aller Thurgauer Beschäftigten in der textilen Fabrikarbeit.
Das Schweizer Fernsehen realisierte ein eindrückliches Projekt "anno 1914 - die Fabrik", das realistische Einblicke in das Leben einer Fabrikarbeiterfamilie gibt.
Mittlerweile finden Sie die Sendungen - in Stücke aufgeteilt - auch schon auf Youtube.
Wer die DVD bestellen möchte, wendet sich an
http://www.srf.ch/shop/anno-1914-leben-wie-vor-100-jahren
Nehmen Sie sich die Zeit für das ergreifende Buch "Zwischen Sehnsucht und Schande" über das Leben der Anna Maria Boxler, die sich mit ihren neun Kindern als Stickerin durchs Leben schlagen musste.
Ich finde dieses Buch ein einmaliges Zeitdokument - aber lesen Sie es nicht als Bettlektüre, sonst können Sie dann nicht immer gut einschlafen...
Das Historische Museum in Frauenfeld sammelt Erinnerungen von Thurgauerinnen und Thurgauern aus der Zeit der Industrialisierung und der Fabrikarbeit.
Stöbern Sie in den persönlichen Zeitzeugenerzählungen hier - oder gestalten Sie sogar selbst einen Beitrag!
Dass es im Gebiet der heutigen Gemeinde Wäldi doppelt so viele Schuster wie "Landökonomen" gab, haben wir schon auf der Seite über die Ortsgeschichte Wäldis gesehen:
Und welches war wohl der meistvertretene Beruf im ganzen Kanton?
Richtig geraten: 1400 Gast- und Schenkwirte sorgten für das leibliche Wohl ihrer Gäste!
Seifensieder, Strumpfweber und Bürstenbinder: Studieren Sie diese interessante Liste von Berufen und Gewerben im Thurgau!
... na ja, auch wenn diese nicht immer so gut gearbeitet hatten, "dass das Publikum sich damit befriedigen liesse..."
Und trotz all der tüchtigen Handwerker: "Gewerbsthätigkeit und Handel hatten im Thurgau keinesfalls die Bedeutsamkeit wie die landwirtschaftlichen Erwerbszweige."
"Im Kanton Thurgau sind die Land- und Forstwirtschaft (6% der Beschäftigung) und der industriell-gewerbliche Sektor (36 %) deutlich stärker vertreten als im Schweizer Schnitt. Besonders die Metallindustrie, die Nahrungsmittelbranche und der Maschinenbau prägen die Thurgauer Industrielandschaft.
Im Vergleich zur Schweiz sind zudem das Baugewerbe und die Kunststoffindustrie gewichtig.
Der Anteil des Dienstleistungssektors ist im Thurgau hingegen vergleichsweise gering. Trotzdem arbeitet mehr als jeder zweite Beschäftigte in diesem Sektor.
Zu den beschäftigungs-stärksten Zweigen gehören der Handel und das Gesundheitswesen."
Dienststelle für Statistik TG
und die mehrfach ausgezeichtnete "Vorzeige-Aufsteiger-Firma" des Kantons:
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