724 schenkte der fränkische "Hausmeier" (Verwalter) Karl Martell dem Wanderprediger Pirmin die Insel Reichenau, die bis anhin dem Landvogt Sintlaz gehört hatte, um dort ein Kloster zu gründen und die umliegenden Alamannen zu christianisieren.
Sintlaz lebte damals auf der Burg Sandegg oberhalb Mannenbach; die Reichenau wurde damals die "Sintlaz-Au" genannt.
Das Kloster erlangte bald eine wichtige geistliche und kulturelle Stellung, die sie fast 1000 Jahre lang innehatte. Es ist auch schon die "Wiege des Abendlandes" genannt worden.
Heute gehöret die Klosterinsel zum Welterbe der UNESCO.
Studieren Sie diese Zusammenfassung der Geschichte des Klosters Reichenau sowie den Flyer über das UNESCO-Welterbe:
Die feste und mächtige Kirche St. Georg Oberzell in typisch romanischem Baustil strahlt Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit aus.
Acht grossflächige, mehr als 4 m breite und über 2 m hohe Wandbilder im Mittelschiff zeigen Wundertaten Jesu und illustrieren die Macht Jesu über Naturgewalten, Krankheiten, Leben und Tod.
Diese Wandbilder entstanden Ende des 10. Jahrhunderts. Sie gehören damit zu den frühesten Zeugnissen ihrer Art nördlich der Alpen und stehen in engem Zusammenhang mit der Reichenauer Buchmalerei.
Dieses Wandbild heisst "die Geschwätzigkeit der Frau geht auf keine Kuhhaut".
Ich frage mich nur, woher die ledigen Mönche das wissen wollten...
Louis Napoleon scheint auch Initiant für den Bau des Dammes auf die Reichenau gewesen zu sein. Diese mit einer dreifachen Pappel-Allee gesäumte Landzufahrt ist 1838 aufgeschüttet worden.
Die ganze Nordseite des Gnadensees sowie der Weiler Ermatingen wurden in der Gründungsurkunde der Reichenau als Untertanengebiet zugeteilt. Dort heisst es sinngemäss und auszugsweise:
"Diesen fremden Mönchen und allen ihren Nachfolgern übergeben wir fünf ausserhalb der Insel gelegene Ländereien und gewähren sie auf ewig.
Dies sind die Namen der Orte: Marcolfingas, Alahollespach, Calta prunno, Uualamotingas, Alachmontescurt (Markelfingen, Allensbach, Kaltbrunn, Wollmatingen, Allmansdorf) mit allen ihren Anhängen und auf der anderen Seite des Rheins den Weiler Ermotingas mit all seinen Anhängen und Grenzen und vierundzwanzig Männern mit ihren Abgaben im Turgaugense: Ratbert, Goduiuino, Leudold, Nappo, Petto, Chuono, Uicfrid, Justin, Uuitald, Baldger, Lantbert, Airfrid, Uuolhart, Theotherih, Theotpret, Alfrid, Raduuinus, Ailidulphus, Ermanold, Paldfridus, Etirich, Amalfrid, Landuuinus, Uualdarius und alle ihre Nachkommen."
Ermatingen ist damit das älteste urkundlich erwähnte Dorf im Thurgau und feiert 2024 sein 1300-Jahr-Jubiläum.
Bald wurde das Kloster eine Grussgrundbesitzerin; nur schon im Thurgau gehörten diese grün markierten Ortschaften dem Kloster.
Mit dem Krummstab war der Bischofsstab gemeint - geistliche Herren (Bischöfe; Klöster) sorgten sich oft wohlwollender und nachsichtiger um ihre Untertanen als weltliche Herren.
Trotzdem mussten die Zehnten und Grundzinsen pünktlich und zuverlässig abgegeben werden; sie wurden im örtlichen Kehlhof eingesammelt.
Diese - oft stattlichen - Kehlhöfe am Untersee zeugen aus jener Zeit:
Im Kehlhof Ermatingen (der in dieser Form erst 1695 erbaut wurde) mussten Grundzins und Zehnten abgegeben werden.
In der Gerichtsstube wurden auch Fälle der niederen Gerichtsbar-keit (die "nicht ans Blut gingen") behandelt.
Den Kehlhof in Salenstein nennen wir heute noch "s'Chloster".
Kehlhof Berlingen
Der "Keller" oder "Dorfmeier" war der Verwalter eines solchen Kehlhofes.
Er war im Auftrag des Klosters verantwortlich für den Einzug der Zehnten, das Aus-pressen des Weines und den Transport aller Abgaben zur Reichenau.
Kehlhof Steckborn
Der Zehnten war ursprünglich ein Privileg der Kirche und geht auf die Bibel zurück.
Bereits früh konnten diese Rechte an den Zehnten aber verkauft werden, was häufig geschah.
Der Zehnten war ursprünglich eine biblisch begründete Abgabe und sollte den geistlichen Grundherrn, also das Kloster oder den Bischof, ernähren. Später wurden solche Zehntrechte oft an Adelige weitergegeben. Die Offnung von Ermatingen nennt zum Beispiel den Vogt von Klingenberg, der vor 1400 die Zehntenrechte für Ermatingen vom Kloster Reichenau erkauft hatte.
Es gab den kleinen und den grossen Zehnten. Der kleine Zehnten lag auf Heu, Obst, Flachs oder Hanf. Da er meist in eine feste Abgabe (in Geld oder in natura) umgewandelt worden war, wurde er selten als drückend empfunden.
Anders der grosse Zehnten, der vom Wein und Getreide entrichtet werden musste. Beim Wein zog der Zehnteneinnehmer jeden zehnten Eimer und beim Getreide jede zehnte Garbe ein.
Dazu kam der Grundzins, der meist aus einer festen Geldabgabe bestand.
Insgesamt musste ein Bauer von seinem Ertrag etwa einen Sechstel für Zehnten und Zins abgeben, einen weiteren Sechstel behielt er für die neue Saat zurück und die restlichen zwei Drittel verbrauchte er im eigenen Haushalt.
(aus P. Giger, "Geschichte Tägerwilens")
Aber auch für das Fischereirecht mit der "Segi" auf den Gangfisch (eine Felchenart) vor Weihnachten mussten die Ermatinger Fischer dem Kloster Reichenau einen Zins von 1200 geräuchten Gangfischen entrichten.
Bei den Erblehen wurden ein Hof mit Grundstücken einem Lehensnehmer überlassen, der diesen nach seinem Tode an seine Nachkommen weitervererbte.
Als Gegenleistung hatte er Grundzinsen, Zehnten und andere Abgaben zu bezahlen und seinem Herrn Fron- und andere Dienste zu leisten.
Es gab nur wenige freie landwirtschaftliche Betriebe, die meisten waren Erblehen. Daneben gab es auch die Schupflehen:
Wer ein Schupflehen bewirschaftete, hatte keinen Anspruch auf Besitzkontinuität und konnte jederzeit von seinem Grundherrn vom Lehen "geschupft" werden, was häufig geschah.
Das verminderte die Motivation zu investieren oder langfristig und nachhaltig zu wirtschaften.
Schupflehen warfen im Allgemeinen weniger ab; so waren denn auch die Abgaben auf Schupflehen geringer als bei Erblehen.
Zehnten und Zinszahlungen wurden aber auch bei wohlwollenden Herrschaften als drückend empfunden:
"Dass es entmuthigend und verdriesslich seyn müsse, den Zehntherrn an dem nur durch gesteigerten Fleiss und Mehraufwand erhöhten Ertrage Theil nehmen zu lassen, ohne dass derselbe etwas dazu beigetragen hat, ist allerdings nicht zu läugnen." (J.A. Pupikofer, der Kanton Thurgau, 1831)
Die 1833 erbaute Hochwart auf dem höchsten Punkt der Insel Reichenau bekam auch ein "Belvédère", also ein Aussichtszimmer (Belvédère bedeutet "schöne Sicht" - und so hiess ja auch der historische Napoleonturm). So konnte man also 21 Jahre lang von einem Belvédère zum anderen sehen.