Ältere Bauernbetriebe wie die Schmeckwies haben noch die Dreifelderwirtschaft erlebt, die seit dem frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert die Landwirtschaft bei uns geprägt hat.
Das Ackerland, das rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmachte, wurde dreigeteilt. Die verschiedenen Parzellen gehörten dann zur entsprechenden Zelge, die in diesem Rhythmus bebaut wurden:
1. Wintergetreide (Anbau im Herbst):
Roggen und Emmer, später Winterweizen
2. Sommergetreide (Anbau im Frühling):
Hafer, später Gerste oder Buchweizen
3. Brachland: keine Bepflanzung, aber einigemale pro Jahr umgepflügt. So konnte sich der Boden wieder erholen.
Auf diesem Kartenausschnitt von 1794 sind die langen schmalen Parzellen zwischen der Schmeckwies und Sonterswil gut erkennbar.
Die Parzellen waren so lang, damit der Pflug nicht oft gewendet werden musste; bei Erbteilung wurden sie längs geteilt.
Ausschnitt aus der Karte "Gerichtsgrenzen Wäldemer Lehen 1794"; Staatsarchiv TG; Slg 1, K/P 1830
Auf der Landeskarte von 1900 (hier stehen noch dieselben Flurbezeichnungen wie auf der Karte nebenan) ist das Gebiet der ehemaligen Zelgen eingezeichnet.
Hier muss ich Ihnen einfach noch zwei Meisterwerke von Dorfplänen zeigen, auf denen die Zelg- und Parzelleneinteilung sauber und schön dargestellt sind: aus Alterswilen von 1790 und Siegershausen von 1753. Laden Sie sich diese Dateien herunter, Sie werden lange interessiert herumknoblen, was man denn heute noch kennt und wie es damals ausgesehen hat!
Alterswilen im Kemmental, ca. 1790.
Das Dorfareal Ende des 18. Jahrhunderts.
Staatsarchiv TG; PlD 1788a
Hier sind die drei Zelgen sogar angeschrieben: "Zelg gegen Tothnach", "Zelg gegen Altishausen" und "Zelg gegen Bohmen". Und natürlich die nachbarschaftlichen "allighauser", "Geboldschauser" oder "Sigrishauser Zelg".
Siegershausen, 1753
"Geometrischer Entwurff des hochfürstlich Merssburg, altstifftisches dorffs Siegershausen".
Oben die Wappen des Bischofs von Konstanz und des Kreuzlinger Abtes Johannes Baptist Dannecker.
Kolorierte Federzeichnung von Augustin Tregele, 1753.
Staatsarchiv TG, PlD 1753
(Es lohnt sich, diese beiden Dateien in guter Auflösung downzuloaden):
Wie viele solcher Parzellen hat denn ein einzelner Bauer besessen resp. als Lehen verwaltet?
Im Güterkataster der Gemeinde Wäldi (Staatsarchiv Thurgau; XVI 418) zur Zeit der Helvetik beginnen wir vorne zu blättern:
Johanis Aman besass nur einen Krautgarten und zwei kleine "Hambfäcker" - er hat gar keine Landwirtschaft betrieben (vielleicht 1 oder 2 Ziegen gehabt) und sicherlich einen andern Beruf ausgeübt:
Jacob Aman scheint ein armer Bauer gewesen zur sein. Er bewirtschaftete nur 2 Juchart Ackerland:
Flächenmasse wurden damals in Juchart gemessen. Der Name geht zurück auf das Joch, unter dem der Ochse den Pflug zog. Mit einer Juchart war die Fläche gemeint, die so in einem Tag gepflügt werden konnte.
Weil das je nach Situation sehr unterschiedlich sein konnte, ist auch die Juchart von Ort zu Ort verschieden gross verstanden worden. Erst spät im 19. Jahrhundert wurde sie bei uns auf 36 Aren vereinheitlicht.
Der dritte scheint schon wohlhabender gewesen zu sein: Hans Caspar Wägeli.
Aber knobeln Sie doch einmal selbst: Können Sie diese alte Schrift noch lesen?
Ok, ich konnte es auch nicht. Mein 90-jähriger Vater hat mir geholfen:
Zusammengefasst bewirtschaftete Hans Caspar Wägeli also etwa:
- eine halbe Juchart Krautgarten
- eine halbe Juchart Hanfacker
- 4.5 Juchart Acker
- 5 Juchart Wiese
- 7 Juchart Wald,
umgerechnet etwa 160 Aren Acker und 180 Aren Wiese. Ein heutiges Fussballfeld misst ca. 50 a. Das wären also gut 3 Fussballfelder Acker und knapp 4 Fussballfelder Wiesen gewesen.
Das Wiesland könnte für eine Kuh, vielleicht ein Schwein und etwas Kleinvieh gereicht haben.
Von der Ackerfläche lag ja jeweils ein Drittel brach; so konnte Herr Wägeli wohl etwa 50 Aren mit Brotgetreide und 50 Aren mit Hafer bebauen.
Die Ernteerwartungen dürften um 1800 unter 10 kg/a gelegen haben (s. hier).
So wird Hans Caspar Wägeli in einem guten Jahr rund 500 kg Brotgetreide und ebenso 500 kg Hafer geerntet haben. Rund ein Drittel der Ernte musste als Saatgut fürs nächste Jahr beiseite gelegt werden; rund einen Sechstel rechnete man für Zinsen und Zehnten.
So blieben der Familie Wägeli noch je 250 kg Brotgetreide und Hafer im Jahr; pro Tag machte das also je rund 700 Gramm.
Also: ein etwas grösserer "Pfünder" und ein 700-g-Hafermus täglich für die Familie. Wobei wir nicht wissen, wie viele Kinder mitgegessen haben...
(Noch in Klammern an die Einwohner Wäldis: wenn Sie noch etwas wissen über Johanis und Jacob Amann oder Hans Caspar Wägeli, würde es mich sehr interessieren: in welchem Haus wohnten sie (hat es dort zum Beispiel noch einen Spinn- oder Webkeller); hatten sie noch Nebeneinkünfte oder übten sie Ämter aus usw.
Lassen Sie es mich bitte wissen, vielen Dank!)
... wer seinen Nachbarn Trauben stiehlt, wer im Krautacker etwas entwendet, wer gegen den Andern das Messer zückt und ihn mit plutend wunden zurücklässt, wer Fremde ohne Erlaubnis mehr als zwei Tage lang beherbergt, wer die kirch verspottet oder wer keine ehrbare Kleidung vor der Obrigkeit trägt -
solche Angelegenheiten wurden in den "Offnungen" geregelt, heute würde man dem Gemeindeordnungen sagen.
Beispiele solcher Offnungen (hier der Titel der Engkweiler Offnung) finden Sie auf der Seite zur Dorfgeschichte von Wäldi.
Was hat man denn eigentlich gegessen in Thurgauer Küchen vor 200 Jahren?
ein Haferbrei oder Hafermus
Der Historiker Johann A. Pupikofer schreibt in seinem berühmten Buch "der Kanton Thurgau" 1837:
"Der Thurgauer ist an eine gute solide Nahrung gewohnt. In früherer Zeit war Hafergrütze ein Hauptbestandteil derselben, indem ein dicker aufgequollener Haferbrei, in welchem oft der Löffel stecken blieb, mit einem Becken Milch das Frühstück und das Nachtessen ausmachte."
Der Engwanger J. H. Thalmann ergänzt in "Das Landleben im mittleren Thurgau während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts":
"In meiner Jugendzeit kam im bäuerlichen Haushalt noch jeden Morgen das Habermus auf den Tisch. Das wurde in einem Napf aufgetragen, und nach einem kurzen Tischgebet löffelte ein jedes seinen Bedarf unmittelbar heraus: Teller wurden selten gebraucht.
Das Habermus kam nicht bloss zum Frühstück, sondern sehr oft auch zum Nachtessen auf den Tisch".
Brot gehörte als Hauptnahrungsmittel zu jeder Mahlzeit; in späterer Zeit kamen die Kartoffeln dazu resp. ersetzten Brot und Mus. Zum Mittagessen kam oft eine Suppe mit Gemüse aus dem Krautgarten auf den Tisch, aber höchstens am Sonntag mit etwas Fleisch. Dörrfrüchte ergänzten zuweilen diese Menus und waren auch als Zwischenmahlzeiten beliebt.
liebe Mütter und Hausfrauen
setzen Sie Ihrer Familie doch einmal eine "Hans-Caspar-Wägeli-Tagesration" vor!
(Zugegeben, wir wissen nicht, wie viele Kinder bei Wägelis mitgegessen hatten - aber wahrscheinlich mehr als bei Ihnen).
- backen Sie ein Brot aus etwa 700 g Mehl, 5 dl Wasser, Salz und Hefe
- bereiten Sie eine Hafergrütze zu, aus 700 g angebratener Hafergrütze (erhältlich im Reformhaus; eine Stunde lang im gesalzenen Wasser köcheln lassen; zum Servieren mit Milch übergiessen)
Verteilen Sie diese beiden Hauptnahrungsmittel auf drei Mahlzeiten; mittags können Sie noch einige Kartoffeln oder eine Gemüsesuppe dazugeben.
Bei den Getränken brauchen Sie hingegen nicht zu sparen: pro Person rechnete man täglich mit 3-4 l Apfel- oder Birnenmost. Vergoren, um ehrlich zu sein, denn nur mit Alkohol liess sich das Wasser sterilisieren. Bei den Kindern wurde dieser "Most" mit Wasser verdünnt.
Geschmacklich war jener Most allerdings nicht mit heutigem "Saft vom Fass" vergleichbar (Fremdgärungen, Schimmelpilze usw)
"Most müend's am gee" wurde ein geflügeltes Wort unter Knechten im Thurgau.
Das ist ein 700g-Brot - gebacken von Frau Bonafiglia aus Hugelshofen (übrigens ein Tipp für Holzofenbrot-Liebhaber!)
Und denken Sie daran: Wägelis waren wohlhabende Bauern.
Bei Jacob Amans Familie gab's nicht die Hälfte. Und auch das nur in guten Jahren, und jeden Tag dasselbe...
Im 20. Jahrhundert wurden viele dieser Kleinstpazellen in umfangreichen Meliorationen für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung optimiert und vergrössert.
Kaum eine Kleinparzelle blieb verschont, kaum ein Bächlein nicht begradigt, kaum ein Feuchtgebiet nicht entsumpft - die Rationalisierung und Produktivitätssteigerung führten zu einer Verarmung resp. Entleerung der Landschaft.
Aus der erwähnten Parzelleneinteilung wurde...
PlD 1825, Staatsarchiv TG
... nach der Melioration und der Güterzusammenlegung...
Plan: Gemeindearchiv Wäldi
... der heutige Zustand.
Plan: Gemeindearchiv Wäldi
"Stundenlang wanderte ich in dem Schatten eines wahren Waldes von dickstämmigen, grossen und breitästigen Birn- und Apfelbäumen, unter denen das schönste Getreide wallte".
"Die Ausstattung vieler Töcher des Thurgaus besteht einzig und allein in einer Anzahl Birn- oder Apfelbäume."
(sozusagen die Apfelköniginnen von damals)
Die Lithographie vom historischen Napoleonturms zeigt den Obstbaumbestand rund um Wäldi. Es dürfte sich vorwiegend um Birnbäume gehandelt haben. Eine Obstbaumzählung 1861 ergab im Thurgau aber die erwähnten 464 Äpfel- und 327 Birnensorten!
Noch um 1940 wurde Wäldi von einem dichten Ring von Obstbaumkulturen umgeben.
Flugaufnahme von Wäldi; Gemeindearchiv Wäldi
Die grünen Punkte sind Bäume einer Hochstammerhebung von 1979. Damals wurden in der Gemeinde fast 2'500 Apfel- und Birnbäume gezählt. Ihr Wert wurde aber nicht mehr hoch eingestuft:
Plan "Obstbaumerhebung 1979, Hohenrain; Gemeindearchiv Wäldi
Ende der Auflistung "Obstbaumerhebung 1979;
Gemeindearchiv Wäldi
"Im Allgemeinen ist der Körperbau des Thurgauers mittlerer Grösse und zur Magerkeit geneigt, was vom verschwenderischen Genusse des Obstweines hergeleitet wird."
(A. J. Pupikofer, der Kanton Thurgau, 1837)
Heute sind hier noch diese Obstbäume stehen geblieben:
Geben Sie mithilfe der obigen Materialien Ihren Schülern einen Überblick über das System der Dreifelderwirtschaft.
Am besten ist es, wenn Sie dann mit einem Dorfplan Ihrer Ortschaft mit der damaligen Zelg- und Parzelleneinteilung weiterarbeiten können. Wenden Sie sich an das Staatsarchiv in Frauenfeld (Staatsarchiv@tg.ch), die Leute sind sehr hilfsbereit.
Sonst können Sie aber auch dieses Beispiel aus Alterswilen aus dem Jahre 1790 zu Hilfe nehmen, es ist fantastisch. Und das System war ja überall das gleiche.
Drucken Sie Ihren Schülern diesen Dorfplan aus. Dazu werden sie aber auch die aktuelle Landeskarte dieses Gebietes brauchen; entweder verwenden Sie die Online-Version von map.geo.admin.ch oder drucken diese beiden vorbereiteten Kartenausschnitte aus:
Dorfplan Alterswilen,
Das Dorfareal Ende des 18. Jahrhunderts. Staatsarchiv TG; PlD 1788a
zur Arbeit mit diesen Karten:
- den Dorfplan lokalisieren und mit der Landeskarte vergleichen; seinen Umriss auf der Landeskarte einzeichnen. (Als Orientierungsmerkmale dienen Bachläufe, Flurnamen, Weiler, spezielle Gebäude wie die Kirche, der Wald - aber kaum die damaligen Strassen).
- heutige Infrastruktur, zum Beispiel wichtigste Strassen und Gebäude, lagegerecht und sauber auf dem alten Dorfplan einzeichnen.
- die drei bezeichneten Zelgen des Dorfes und die Nachbarszelgen suchen
- welche Gebiete gehörten hier wohl zur Allmend?
- Flurnamen studieren und herausschreiben:
fast alle heutigen Flurnamen findet man noch auf dem alten Dorfplan, oft aber etwas anders geschrieben
- was war denn die Bedeutung resp. der Ursprung dieser Flurnamen?
- Flurnamen herausschreiben, die etwas mit der Landwirtschaft und der Dreifelderwirtschaft zu tun haben (arbeiten Sie dazu mit der Liste rechts)
- die Lehensherrschaften studieren
(s. Legende rechts auf der Karte).
Welches waren die wichtigsten Lehensherren in Alterswilen?
(Domkapitel Konstanz "Zelgend", also Zelge; Kloster Münsterlingen; Pfrund (?); auswärtige Zelge...)
Wie viel Land blieb eigentlich "frei", gehörte also den Bauern selbst?
- die Grösse resp. Fläche einer typischen Parzelle abschätzen:
eine typische Parzelle auswählen; mit Hilfe des Kartenmassstabes ihre Länge, Breite und Fläche abschätzen. (Damals rechnete man in Jucharten, das waren 36 a. Etwa so viel vermochte ein Ochse pro Tag zu pflügen).
Wenn möglich eine solche Parzelle auf dem Sportplatz oder einer gemähten Wiese neben dem Schulhaus abstecken.
- die erwartete Ernte und die verfügbaren Nahrungsmittel abschätzen
Studieren Sie dazu die Abschnitte weiter oben auf dieser Seite. Jene Beispiele stammen zwar aus Wäldi, doch wird es in Alterswilen nicht viel anders gewesen sein.
Nehmen Sie diese Schrifttabelle der Deutschen Kurrentschrift zu Hilfe, wenn Sie zum Beispiel eine Seite aus dem Güterkataster entziffern wollen.
- die Landschaftsveränderung dokumentieren:
Von einem genau lokalisierbaren Punkt aus eine Foto machen. Diese Foto dann dem entsprechenden Ausschnitt aus dem Dorfplan (und der heutigen Landeskarte) gegenübersetzen und die Veränderungen beschreiben.
Am allerschönsten ist es, wenn die Schüler auf dem Gebiet des alten Dorfplans wohnen und gleich von ihrem Wohnhaus aus fotografieren können.
Alle Rechercheergebnisse fliessen in eine Dokumentation "Das bäuerliche Leben in Alterwilen 1790" ein.
Wagen Sie es, auch wenn es ein einjähriges Projekt ist: die Produktion von unserm Ur-Nahrungsmittel Brot! Es bringt viele praktische Handlungs- und Arbeitsmöglichkeiten:
- vor den Herbstferien ein Stück Schulgarten oder -acker umstechen
- evtl. Thema Bodenfruchtbarkeit und Düngung aufnehmen (Bodenprobe im Arenenberg analysieren lassen)
- mit Winterweizen und Triticale ansäen (kein Dinkel oder Emmer, dort bringt man später die Spelzen kaum weg; lassen Sie sich über die genaue Sortenwahl in der Landi oder von einem Landwirt beraten)
- im Frühling evtl. jäten, Wachstum beobachten
- den Weizen ernten (das kann man gut mit der Schere - aber meist ist das während der Sommerferien...)
- Körner aus den Ähren trennen (ausreiben oder austreten, am besten geht's aber mit einem nachgebauten Dreschflegel)
- die Körner von der Spreu trennen (das Kniffligste der ganzen Angelegenheit...)
- mahlen, zum Beispiel mit einer Hand-Kaffeemühle
- Brot oder in der Vorweihnachtszeit Guetzli backen
... und die Eltern zu einem Elternabend zum Thema einladen!
Die Landwirtschaft biete gute Möglichkeiten zu lebensnahen Projekten, die viel mit Botanik, Landwirtschaft, Hauswirtschaft, Ernährung oder auch Geschichte zu haben:
- pflanzen Sie zum Beispiel Kartoffeln an
- nehmen Sie das Thema "Zucker" auf und pflanzen Sie ein Beet Zuckerrüben an
- oder halten Sie Hühner ...
Nutzen Sie die Angebote von "Schule auf dem Bauernhof" zu vielfältigsten Themen der Landwirtschaft.
Alle Informationen dazu finden Sie auf der Website http://www.schub.ch/.